Schuften für die Schurken

WoW – einmal vollkommen ungestört dem Spieltrieb huldigen, angenehm abgeschottet von der wirklichen Welt mit all ihren kämpfenden Horden, üblen Schurken und hässlichen Trollen…klingt unwiderstehlich!
Muss es aber nicht unbedingt sein: chinesische Häftlinge werden zum „Goldfarming“ gezwungen – und skrupellose Gefängniswärter setzen den virtuellen Gewinn erfolgreich im Internet um. Nicht in vielversprechende Waffen und Fähigkeiten, sondern in bare Münze.

Knochenarbeit, Ausbeutung und Folter – dass eine chinesische Haftanstalt wenig mit einem Ponyhof gemeinsam hat, dürfte auch uns im fernen Westen sonnenklar sein. Zunächst seltsam mutet dagegen an, dass ausgerechnet das bei uns so beliebte Rollenspiel „World of Warcraft“ den oft unmenschlichen Haftbedingungen im Land der Mitte über Jahre hinweg das höllische „Tüpfelchen auf dem i“ verliehen hat: laut der britischen Tageszeitung „The Guardian“ wurden chinesische Gefängnisinsassen von ihren Aufsehern gezwungen, in schier endlosen nächtlichen Computersessions begehrte „WoW“-Reichtümer anzuhäufen.

Die solide Geschäftsgrundlage der tyrannischen Wärter: der außerhalb dicker Gefängnismauern weltweit verbreitete Hang zu gepflegter Bequemlichkeit. Denn der Aufstieg in der „WoW“-Hierarchie ist mühsam, das Erarbeiten neuer Spielwerte für Ausrüstungsgegenstände zuweilen schlichtweg stinklangweilig: Mineralien abbauen bis zum Umfallen, Monster erschlagen bis zum Abwinken – gähn, schon klar. Bei schnödem „Farming“ ist einfach weitaus mehr Ausdauer gefragt, als wirklich Spaß macht.

Umso besser, dass Portale und Plattformen den faulen Braten längst gerochen haben – und aus der Trägheit der Anderen saftiges Kapital schlagen. 50.000 Goldstücke gefällig? Macht 30 Euro, Überweisung bevorzugt, Expressversand möglich. Die Nachfrage ist groß, das Geschäft mit dem Instant-Aufstieg boomt. Wer in China zusteigt, verdient bis zu 6000 Yuan pro Tag – umgerechnet etwa 650 Euro. Den Tatbestand der skrupellosen Ausbeutung zwangsverpflichteter Spieler lässt dies allerdings nicht in einem etwas milderen Licht erscheinen. Weder im Gefängnis, noch auf den etwa 2000 „Goldfarmen“ im Land. China gilt als zuverlässiger Großlieferant, Kinderarbeit gerne inklusive.

Seit die chinesische Regierung vor wenigen Jahren den Handel mit virtuellen Waren auf staatlich lizensierte Betriebe beschränkt hat, gelten alle anderen Geschäfte rund ums Rollenspiel als strikt illegal. Ob das aber wirklich alle Gefängnisaufseher davon abhält, an einem einzigen Tag mehr Echtgeld einzusacken als ansonsten in mehreren Monaten, bleibt fraglich.

Der schnelle Deal mit dem Knastgold – er ist einfach zu bequem.

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